„Frauen tragen die Hälfte des Himmels“, besagt ein chinesisches Sprichwort, das Mao zugeschrieben wird. Aber wie gleichberechtigt sind Frauen in China heute? Wie steht es um Lohngerechtigkeit, Aufstiegschancen und die gesellschaftliche Situation? Laut der Verfassung der Volksrepublik seit 1949 sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Soweit die Theorie. In der Realität sind Frauen in China immer noch benachteiligt. Hier ein Update.
Der Internationale Frauentag am 8. März ist in China ein Feiertag nur für Frauen. Statt eines ganzen Tages müssen sie oft in Staatsbetrieben nur den halben Tag arbeiten. Beim Arbeitslohn sind Frauen aber immernoch benachteiligt. Beim Global Gender Gap Report 2020 des Weltwirtschaftsforums liegt China auf Rang 106 von 153. In der Unterrubrik Gesundheit übrigens nur auf Rang 153. Nach einer Umfrage der Online-Plattform Zhaopin verdienten Frauen 2018 rund 23 Prozent weniger als Männer. Gibt es Hoffnung auf Besserung? Laut einer von Ipsos durchgeführten Umfrage zu Vorhersagen für globale Themen im Jahr 2020 hielten es 61 Prozent der Chinesen für wahrscheinlich, dass Frauen im Jahr 2020 für die gleiche Arbeit den gleichen Betrag wie Männer erhalten werden. China war eines der optimistischsten unter allen befragten Ländern, was die Schließung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles im Jahr 2020 angeht.
Nach Angaben des Women in Business Reports 2019 von Grant Thornton belegen 31 Prozent Frauen Führungspositionen. Allerdings sind beispielsweise in der IT-Branche Frauen mit 55 Prozent überdurchschnittlich vertreten. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Bettina Al-Sadik-Lowinski hat 110 Topmanagerinnen interviewt, darunter auch Karrierefrauen aus China. Die Männer, Großeltern oder Haushaltshilfen halten den Rücken frei und kümmern sich um die Kinder, damit die Topmanagerinnen sich auf die berufliche Tätigkeit konzentrieren können. „Die Frauen machen sich frei von den Erwartungen anderer – an sie als Frau, als Mutter, als Mitarbeiterin. Das ist für die Russinnen und Chinesinnen am einfachsten, denn schon ihre Mütter und Großmütter waren in Vollzeit berufstätig, weil das durch die Gleichstellungspolitik in den kommunistischen Staaten einfach so war. Hausfrauen galten als Parasiten der Gesellschaft, sagt eine der Interviewpartnerinnen. Was sich übrigens gerade ändert: Mit steigendem Wohlstand wird das Modell der Hausfrau plötzlich neu entdeckt, als Privileg der superreichen Chinesin. Das ist in China das Neue.“ Care-Aufgaben gewinnen offiziell mehr an Anerkennung. Nach ihrer Scheidung wurde einer Frau eine Entschädigung von ca. 6000 Euro für ihre geleistete Hausarbeit in fünf Ehejahren zugesprochen. Die Rechte von Frauen sollen laut Gesetz mehr gestärkt werden.
Auch wenn Frauen in der Wirtschaft Karriere machen, in der Politik bleiben weiterhin die Männer dominierend. Laut einer Auswertung der Interparlamentarischen Union (IPU) liegt China in der monatlichen Rangliste beim Frauenanteil in den Parlamenten (1. Kammer) auf Platz 86.
Das im Februar 2019 von der chinesischen Regierung initiierte Gesetz „Circular on Further Regulating Practice to Promote Female Employment“ soll Diskriminierung von Frauen bei Bewerbungsprozessen verhindern. Bei Missachtung drohen negative Punkte im Sozial-Kreditsystem. Seit 2016 gilt das Gesetz gegen häusliche Gewalt, das Frauen schützen soll. Zuvor ließ jedoch die Regierung die größte Frauenschutzinitiative schließen. Für Frauenrechte setzt sich die Bürgerrechtsanwältin Guo Jianmei ein. Insbesondere auf dem Land sind Frauen bedroht, werden vergewaltigt oder enteignet. Sie wurde mit dem Alternativen Nobelpreis 2019 geehrt, konnte ihn aber nicht in Stockholm persönlich entgegennehmen.
Gewalt gegen Frauen hat sich durch die Corona-Pandemie auch in China erhöht, wie die Journalistin Franka Lu beschreibt. Frauen werden sogar von Unbekannten auf der Straße angegriffen und ermordet. So schnitt ein Mann einer Siebzehnjährigen die Kehle durch.
Nach dem Beginn der #MeToo-Bewegung in den USA wurde 2018 das Tabu der sexuellen Übergriffe auch in China zum gesellschaftlichen Thema. Frauen trauten sich erstmals, sexuelle Übergriffe öffentlich in den sozialen Medien anzusprechen. Die ehemalige Studentin Luo Xixi war von ihrem Professor sexuell belästigt worden – nachdem sie dies öffentlich machte, wurde er von seinem Posten entlassen. Als richtungsweisend gilt die Klage von Zhou Xiaoxuan – online auch unter ihrem Spitznamen Xianzi bekannt – und eine Heldin der #Metoo-Bewegung in China. Sie hat einen der prominentesten TV-Moderatoren des Landes vor Gericht gebracht und beschuldigt ihn, sie 2014 sexuell belästigt zu haben. Vor der Anhörung, die nicht öffentlich sein wird, sagte Xianzi der BBC, dass sie, egal was passiert, nichts bereuen wird. „Wenn ich gewinne, wird das viele Frauen ermutigen, sich zu melden und ihre Geschichten zu erzählen; wenn ich verliere, werde ich weiter in Berufung gehen, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist.“ Gleichberechtigung und Frauenrechte in China sind auf dem Vormarsch, aber es bleibt noch viel zu tun.